Das Königssilber

Quelle: Festzeitschrift „Kreuzweihe 2000“

Es ist dies die lebendige Überlieferung unserer Vorgänger und Vorfahren in der St. Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V.

Es sind die Königsplatten mit den Namen ihrer Spender und andere in Silber getriebene Insignien, Bildzeichen und Bekenntnisse christliche Kultur, die über Jahrhunderte in fester Treue zur Bruderschaft, Kirche und Heimat an uns weitergeleitet wurden.

Wer dieses Bruderschaftssilber einmal in Ruhe und mit dem nötigen Interesse betrachtet, stellt fest, dass hierin zum Teil sehr alte Familientraditionen verankert sind; Familien, deren Namen heute noch bekannt sind oder deren Nachkommen heute noch in Erkrath leben und die Ideale ihrer Vorfahren auch heute noch anerkennen, pflegen und in die Zukunft überliefern werden. Wir finden in den Königsplatten einiger Familien lückenlose Anknüpfungen von Generation zu Generation.

Als Beispiel: Nachfolgende Familien stellten mehrere Könige über viele Generationen hinweg.

  • Familie Poßberg: 8 Könige ab dem Jahre 1824
  • Familie Liethen: 7 Könige ab dem Jahre 1739 (Bei Anerkennung fraglicher und unregelmäßiger Schreibweisen wie Lethen, Leiten oder Lefen anno 1747, mit zum Teil gleichen Vornamen, kämen sogar noch 4 weitere Könige hinzu)
  • Familie Kemperdick: 7 Könige ab dem Jahre 1788
  • Familie Dietz: 6 Könige ab dem Jahre 1864
  • Familie Weyer: 5 Könige ab dem Jahre 1864
  • Familie Krautstein: 3 Könige ab dem Jahre 1785
  • Gefolgt von den Familien Lipgens, Kirschbaum, Hahn, Pohlmann, Jüntgen, Keens und anderen.

Bei Betrachtung dieser Namen erkennen Erkratherinnen und Erkrather sofort, dass es sich um alte Bauern- und Handwerkerfamilien handelt, die in Erkrath ansässig sind und waren und von denen die Geschichte unserer Bruderschaft und unseres Dorfes maßgeblich mitgeprägt wurde.

Heute ist eine neue Generation Schützenbrüder und deren Familien mit für den Fortbestand der St. Sebastianus Bruderschaft aktiv und wir sehen an dem großen Interesse, welches an der Erringung der Königswürde besteht, dass es um diese Tradition gut bestellt ist und unsere Bruderschaft auch aus dieser Epoche heraus in  eine erfolgreiche Zukunft hinübergeleitet werden wird, treu nach den alten Idealen für Glaube, Sitte und Heimat.

Ludwig Weyer


Kostbarkeiten aus dem Königssilber der Sankt Sebastianus Bruderschaft Erkrath

Quelle: Festschrift „475 Jahre Sankt Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V.“ von 1959

Die Festschrift zum 450. Gründungsfest brachte 1934 zur Geschichte der Erkrather Bruderschaft den Wortlaut der noch erhaltenen Urkunden aus vergangenen Tagen. Auch auf das Königssilber wurde hingewiesen: „Die Bruderschaft war immer ein Hort der Überlieferung. Sorgende Hände bewahrten das Königssilber“. In der Sammlung dieser Gedenkplatten sind heute 160 Stück vorhanden und es ist reizvoll, die einzelnen Platten zu betrachten und ihre Symbole zu deuten.

Die älteste Plakette lautet auf den Namen Michael Vernelius und wir lesen weiter: „Pastor – me – fieri – fecit – Ao 1617“. Im Haus Unterbach finden sich Pergamentsurkunden, die über die Anstellung von Geistlichen in der Pfarrkirche Erkrath berichten. Dort ist unter dem Datum vom 2. Juni 1582 ein Priester Michael Vernelius genannt. Dieser ist wohl der Stifter unserer Plakette; dann lautet die Deutung des Zusatzes etwa: „Der Pastor Michael Vernelius veranlasste, dass ich (ich, d.h. die Plakette) hergestellt wurde.“

Wo aber ist das Königssilber geblieben, das vor 1617 sicherlich vorhanden war? Es wird vermutet, dass das Silber beim Gießen von Glocken verwendet wurde. Vielleicht sind die Platten auch in Kriegswirren verloren gegangen, etwa im 30jährigen Krieg; denn aus der Zeit vor Beendigung dieses Krieges sind nur zwei Stücke, die Plakette des Vernelius und die Taube des Herrn von Ghoer vorhanden.

1623

Petrus von Ghoer schenkte 1623 eine in Silber getriebene, gekrönte Taube mit der Inschrift: „Filius Indicis Donum dedit“, d.h. etwa „Petrus von Ghoer widmete die Gabe im Jahre 1623 am 15. Juni“. Zugleich ließ er sein Monogramm PVG eingraphieren und ein Hauszeichen (Wappen): ein Füllhorn mit einer Taube.

Man könnte geneigt sein, diese Taube als Friedenstaube zu deuten. Der 30jährige Krieg überzog damals schon fünf Jahre das Land mit Schrecken, Not und Tod; die Sehnsucht nach Frieden könnte den Gedanken geweckt haben, dieses Verlangen nach Frieden in der Taube zu versinnbildlichen. Gewiss war seit Noes Zeiten die Taube mit dem Ölzweig ein Zeichen des Friedens mit Gott, aber durch das Bild der Taube stellte man ehedem in der Kunst entweder den hl. Geist oder oft auch die Jungfrau Maria dar.

Vielleicht war aber diese Taube nur ein in Silber geformtes Bild des Königsvogels, auf den allwärts die Bruderschaften am Schützenfest schossen. Derjenige, der nun in Erkrath den Vogel abgeschossen hatte, trug fortan als Zeichen seiner Würde gewissermaßen die Schusstrophäe an silberner Kette auf der Brust. Die Krone auf dem Kopf der Taube wäre nunmehr als das Zeichen der errungenen Königswürde zu erklären.

1666

Das im Pfarrarchiv zu Erkrath vorhandene Bruderschaftsbuch der „Bruderschaft von den Sieben Schmerzen Mariens“ nennt in einer Eintragung aus den Jahren 1545 – 1554 als „Itzigen Inhauer des Huiß zu Unterbach“ Everhart Schenckern, der nach seinem Familiennamen von Waldenburg hieß. Der Beiname „Schenckern“ besagt, dass die die Waldenburger „Schenke“ (d.h. Mundschenke) des Erzbischofs von Köln waren. Einer aus dem Geschlecht der Waldenburger, die im Rheinland und in Westfalen begütert waren, Johannes Gerhardus, genannt Schenckern, stiftete am 24. Juni 1666 der Erkrather Sebastianus Bruderschaft eine Silberplakette. Mit dieser Schenkung bezeugte der Freiherr, dass die Bruderschaft in hohem Ansehen stand und die Stärke dieser Männergemeinschaft auch nach dem 1648 beendeten 30jährigen Krieg ungebrochen erhalten war.

Die Vorderseite des Silbers zeigt die Mutter Gottes und das Waldenburger Wappen mit Namen und Sitz des Stifters.
Unser Bild bringt die Rückseite der Plakette mit einer Darstellung des Märtyrers Sebastian und der Gottesmutter.

Die Inschrift benennt zuerst die Bilder: 1. Die Gottesmutter, 2. Den Patron der (Schützen-)Brüder – den hl. Sebastian – und das Wappen. Dann folgt die Widmung: „Dies ist das Weihegeschenk zum Johannesfest im Jahre 1666, am 24. Juni.“

1778

Im Jahre 1778 ließ der damalige Schützenkönig auf seine silberne Plakette schreiben: „Franz Leopold Kempgens, Schüzenkönig in Erckrath. Zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit. 1778.“ In der Mitte der Silberplatte ist eine Kirche gezeichnet; es ist eine fast kindliche Strichgravierung, die sicherlich unsere Pfarrkirche darstellen soll. Vielleicht aber soll dieses Bildchen die Kirche überhaupt versinnbilden, die Gemeinschaft aller katholischen Christgläubigen unter einem Oberhaupt, dem Papst. Diese Vermutung ist etwa dann berechtigt, wenn wir dem Widmungstext „Zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit“ eine Bedeutung beimessen. Das Fest zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit war im 14. Jahrhundert vorgeschrieben worden. Schon seit dem 3. Jahrhundert war die Lehre von der hl. Dreifaltigkeit umstritten, besonders im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wuchs die Gegnerschaft gegen den Glaubenssatz von der Dreieinigkeit. Die Gegner des Dogmas hießen seit etwa 1560 Antitrinitarier oder Sozinianer, deren Wirken die Zeit der Aufklärung vorbereitete. Wir dürfen annehmen, dass in jenem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in der Unterweisen der kath. Gläubigen oft über das erste der fünf Stücke, die jeder kennen und glauben muss, nämlich, „dass ein Gott ist in drei Personen, Vater, Sohn und heiliger Geist“, gesprochen oder gepredigt wurde. So ist die Widmung des Königs Kempgens als ein Bekenntnis zum kath. Glauben, zugleich auch als ein Dokument jener Ereignisse, die damals die Herzen bewegte, aufzufassen und zu erklären. Es ist bemerkenswert, dass zwei Jahre später ein (1780) durch J. W. Anton van Dorff geprägtes Silberstück ebenfalls „Zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit“ gewidmet wurde. Vielleicht gibt sogar die Steigerung (1778: „heilig“, 1780: „allerheiligste“) Anlass, über die Bedeutung der Formulierung nachzudenken.

1812

Bei einer Reihe von Silberplaketten weisen die Stifter auf ihren Beruf hin: so finden wir Angaben, dass dieser Bauer, jener Schmied, einer Uhrmacher, ein anderer Zimmermann oder – wie auf unserem Bild – gar Apotheker war, wie die (Apotheker-)Waage es andeutet.

Der Text heißt: „Rüttger Schönfeld, Schüzen-Kön. In Erkrath 1812“.

Auf der anderen Seite dieser Plakette lesen wir in lateinischer Sprache einen Anruf, der in freier Übersetzung etwa dies besagt: „Heiliger Imperator Sebastian, Fürst aus edlem Geschlecht, du bist glorreicher Märtyrer Jesu Christi, bitte für uns und deine Verehrer (die Sebastianusbrüder), führe uns zu Ihm, damit uns – wie dir – das ewige Leben zuteil werde. Amen. 1812“.

1954

Als ein Versuch, Wege zu einer neuen Gestaltung der Königsplaketten zu weisen, darf die hier im Bild gezeigte Dedikation des Schützenkönigs 1954, Josef Balkenhol, gewertet werden. Das Bild, eine Bunt-Email-Arbeit, stellt die Mutter Gottes mit dem Jesuskind dar; das Kind hält in der Hand die Weltkugel. Die Inschrift lautet: „Zur Erinnerung an das Marianische Jahr, in dem ich König der Bruderschaft war.“

Wir wollen nichts in die Absichten des Stifters dieser Plakette hineingeheimnissen, aber eine spätere Zeit könnte eine Deutung finden, die vielleicht diesen Gedanken folgt:
Es war eine Zeit voll innerer Sorgen und Ängsten trotz äußeren Wohlergehens und schillernder Pracht. In dieser Zeit der Furcht und Bangnis suchten die Menschen Schutz und Trost in der Liebe der himmlischen Mutter. Der Papst jener Jahre, Pius XII., rief in bedrängter Zeit die Menschheit auf, im Marianischen Jahr mehr als sonst die Fürbitte der Mutter aller Christen um Schutz und Schirm anzurufen. Zugleich verkündete der Papst das Dogma von der leiblichen Himmelfahrt Mariens, um die Mutter Jesu mit diesem Glaubenssatz zu verherrlichen.

Das Jesuskind hält die Weltkugel in seiner Hand. Eine gewaltige Naturkraft, die Spaltung der Atome, wurde in jener Zeit den Menschen dienstbar und Gott legte im Anbruch einer neuen Zeit die Herrschaft über diese irdischen Gewalten zum Falle oder zur Auferstehung in die Hände der Menschen. Aber er ließ die Menschen sein Zeichen sehen: Das Weltall fuht in Seiner Hand. Seht hin zum Bildnis dieses Königssilbers.

Welche Auslegung man auch später dieser Königsplakette aus unseren Tagen geben wird, uns wird mit der Betrachtung der Plakette gewiss, dass die Gestaltung des Königssilbers nicht dem Zufall und nicht einem leichtgefertigten Wurf überlassen werden darf, da die Plaketten Zeugen ihrer Zeit, Ausdruck einer geistigen Haltung und Sinnbilder sebastianischens Wirkens sein wollen.

M.K.