Wegkreuz an der Kreuzstraße


Friedenssehnsucht und Gotteslob in Stein gemeißelt - Sebastianerbruder Peter Blind stiftete Wegekreuz

von Horst-Ulrich Osmann © 2016

Im früheren, sehr kleinen Dorf Erkrath hatten die wenigen, unbefestigten Verkehrswege keine offiziellen Bezeichnungen (1). Straßennamen und (heutige) Hausnummern wurden erst amtlich eingeführt, nachdem der erste Erkrather Bürgermeister Johann Kaiser 1898 sein Amt angetreten hatte. Am 6. April 1900 legte der Erkrather Gemeinderat in seiner Sitzung die künftigen amtlichen Namen für folgende Straßen fest:

  • Bahnstraße
  • Gerresheimer Straße (heute: Neanderstraße)
  • Hochdahler Weg (von Haus Brück bis Hochdahl, heute: Eulental)
  • Kreuzstraße
  • Kirchstraße
  • Leichstraße (1910 umbenannt in Hochdahler Straße)
  • Mettmanner Weg (von Haus Brück bis zur Mettmanner Grenze, heute: Metzkausener Straße)
  • Neandertaler Weg (vom Mettmanner Weg abzweigend nach Neandertal, heute: Mettmanner Straße)
  • Rathelbecker Weg
  • Unterbacher Weg (Verlängerung der Kreuzstraße nach Unterbach, heute: Erkrather Straße) (2).

Damit war das damalige Netz der sogenannten „Kommunalwege“ abgedeckt.

 

Bei der Namengebung war Kreativität nicht erforderlich, man griff auf topographische Gegebenheiten und ältere, ortsübliche Bezeichnungen zurück. Die Gerresheimer Straße führte nun mal nach Gerresheim! Im Dorfzentrum erhielten die Wege Namen nach altem Brauch und Gewohnheitsrecht. Dass die Bahn- und die Kirchstraße schon Jahre vorher inoffiziell so genannt wurden, belegen Akten des Wegebauetats (3). Für die Kreuzstraße namensstiftend war ein 1763 errichtetes Wegekreuz, das um 1954 beim Umbau des Treppenaufgangs zur Kirche von seinem ursprünglichen Platz an der Kreuzstraße in eine Mauernische zur Kirchstraße versetzt wurde.

Wegkreuz an der Kreuzsstraße, 1948. Foto: Bildarchiv Horst Osmann
Wegkreuz an der Kreuzsstraße, 1948. Foto: Bildarchiv Horst Osmann

Das ortsgeschichtlich interessante und historisch wertvolle Wegekreuz fristet dort seither ein Schattendasein. Von einer 1985 erfolgten Restaurierung durch Steinbildhauermeister Ulrich Hahn (4), bei der damals die 200 Jahre alte Inschrift noch einmal leserlich herausgearbeitet wurde, ist heute (fast) nichts mehr sichtbar. Die als Chronogramm ausgeführte Inschrift überliefert Anlass und Namen des Stifters:

 

„1763, Den 22. Mertz, Petrus Blindt, Ehefrau Catharina von der Linden, genannt Blint. Wo kein Creutz, da ist kein Christ, Dies Kreutz der Christen Zeichen ist, Gott der uns jetzt den Fried beschert, sey ohnaufhörlich fort geehrt“.

 

Die Addition der im Text enthaltenen Römischen Zahlzeichen ergibt ebenfalls die Jahreszahl 1763. Die Inschrift wird dahingehend interpretiert, das der Stifter Petrus Blindt und seine Ehefrau Catharina, geborene von der Linden, das Wegekreuz aus Dankbarkeit und zur Erinnerung an den zuvor geschlossenen Frieden von Hubertusburg, der den Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) beendete, errichten ließen.

Wegkreuz an der Ecke Kreuzstraße / Kirchstraße. Um 1890. Foto: Bildarchiv Adelskamp/Kirschbaum
Wegkreuz an der Ecke Kreuzstraße / Kirchstraße. Um 1890. Foto: Bildarchiv Adelskamp/Kirschbaum

Siebenjähriger Krieg

Der siebenjährige Krieg wird auch als dritter Schlesischer Krieg bezeichnet. Preußen hatte unter Friedrich II. (dem Großen) die österreichische Provinz Schlesien erobert und versuchte, diese mittels eines Bündnissystems – in der Hauptsache mit Großbritannien/Kurhannover - zu behaupten. Auf der anderen Seite stand die Koalition der österreichischen Habsburgermonarchie mit Frankreich und Russland. In der patriotisch „preußischen“ Geschichtsschreibung ging es vordergründig um den Besitz Schlesiens, durch dessen Okkupation Preußen zur europäischen Großmacht aufstieg und nun seine Expansionsansprüche auch im Heiligen Römischen Reich durchzusetzen suchte. Gleichzeitig konkurrierten Frankreich und England um Kolonien in Nordamerika und Indien. Russland wollte sein Staatsgebiet auf Kosten Polens nach Westen erweitern.

 

Wegen seiner weit über Europa ausgreifenden Wirkung wird der siebenjährige Krieg heute als einer der ersten Weltkriege bewertet. Obwohl im Herzogtum Jülich-Berg keine direkten Kampfhandlungen stattfanden, hatte das Land doch erheblich unter den Ereignissen zu leiden. Die Ansprüche Preußen an das Herzogtum Berg konnte Kurfürst Karl Theodor (1742 – 1799) nur durch ein Bündnis mit Frankreich abwenden. Dafür musste er die Stationierung französischer Truppen in Düsseldorf in Kauf nehmen, Truppendurchzüge gestatten, Verpflegung und Lebensmittel liefern und Hilfstruppen stellen. Das wechselnde Kriegsglück auf beiden Seiten führte immer wieder zu Durchzügen, Einquartierungen und Kontributionsforderungen, unter denen die Landbevölkerung erheblich zu leiden hatte.

Umgesetztes Wegkreuz an der Kirchstraße. Foto: Horst Osmann
Umgesetztes Wegkreuz an der Kirchstraße. Foto: Horst Osmann

Das Stifterpaar

Johann Peter Blindt, geboren am 24. Februar 1707 auf dem Hof Pabst-Ullental (5) als Sohn von Jost Arnold Blindt und Margaretha Haug, war seit dem 4.Oktober 1735 mit Maria Catharina von der Linden verheirate. Sie war eine Tochter des Peter von der Linden und der Agnes Kürten, geboren am 17. Mai 1714 im Haus Neu-Wittenbroch. Dieses Haus stand an der heutigen Bahnstraße 70 und war offensichtlich ein Abspliss des Hofes Alt-Wittenbroch (6). Alt-Wittenbroch lag zur Rechten benachbart. Nachfolgend 1792 in Händen von Thomas Strucksberg, prägt das imposante Fachwerkhaus Bahnstraße 68 bis heute das Straßenbild. Johann Peter Blindt hat das Haus Neu-Wittenbroch offensichtlich im Lauf seiner Ehe von seinem Schwiegervater Peter von der Linden übernommen, denn dieser kam durch seine Ehe mit Agnes Kürten, seit ca. 1689 Witwe von Adolf Krautstein, bis zur Volljährigkeit der Krautsteinkinder aus erster Ehe in den Niesbrauch des Hofes Bleek (7), dem Stammhaus der Krautstein. Johann Peter Blind war Metzger, möglicherweise auch Schankwirt. Als Schützenkönig der Erkrather Sebastianerbruderschaft ließ er 1746 eine gravierte Silberplakette fertigen, auf der ein (Bier-)Faß und ein Metzgerbeil als Handwerkssymbole abgebildet sind (8). Dem Eintrag im Sterberegister zufolge war er in den Jahren vor seinem Tod 1777 Hauptmann der Sebastianusbruderschaft. Wahrscheinlich hat Petrus Blind diese Aufgabe von seinem Schwager Theodor Schirpenbroch übernommen. Theodor war seit 1723 mit der älteren Schwester Maria Catharina Blind verheiratet. Als Bauer und Pächter auf dem Hochdahler Hof verstarb er ebenda am 4. Oktober 1742 im Alter von 58 Jahren als Hauptmann der Sebastianusbruderschaft (9).

Königssilber von Johann Peter (Petro) Blindt. Foto: Hans-Georg Büchel
Königssilber von Johann Peter (Petro) Blindt. Foto: Hans-Georg Büchel

Familie Blind, Hof Pabst-Ullendahl und Haus Wittenbroich

Der Hof Pabst-Ullental – neudeutsch Eulental - wurde offensichtlich nach seinem gleichnamigen, vormaligen Besitzer benannt. Johann Pabst war 1595 (10) Schöffe des Landgerichtes Erkrath, vermutlich ist er identisch mit dem 1590 und 1593 (Johann Peeß) wie auch 1592 (Johann Paß) genannten Schöffen. Wie er in den Besitz des Hofes kam, liegt im Dunkeln der Geschichte. Jahrzehnte später wird 1661 der Schöffe Wilhelm Ullenthal erwähnt (11). Ob es zwischen beiden Schöffen eine familiäre Verbindung gab, bleibt ungeklärt. Wilhelm Ullenthal könnte der mutmaßliche Vater von Hans Gordt Blind, Landbote des Landgerichtes Erkrath und unzweifelhaft Besitzer des Hofes Pabst-Ullental, gewesen sein. Nach dem Tod des Hans Gordt ca. 1679/80 bleibt der Hof mehr als 230 Jahre in Händen der Familie Blind bis in die Zeit der Weimarer Republik (12). Letzter Besitzer war Dr. Kaspar Blind, der an Gerhard Haumann aus Gerresheim verkauft. Johann Peter Blind, Enkel von Hans Gordt Blind, verlässt als nachgeborener jüngerer Sohn mit seiner Heirat 1735 den Hof Ullental, wurde Metzger und gründete im Dorf Erkrath im Haus Neu-Wittenbroch einen weiteren Familienzweig. Sein wenige Jahre älterer Bruder Arnold Wilhelm Blind heiratet um 1727 Agnes Elisabeth Eickenberg vom Hof Beckhaus in Trills. Er nimmt den Hofnamen als Familiennamen an, seine Kinder und Nachkommen lebten unter dem Namen Beckhaus.


  1. Einwohnerverzeichnisse des Jahres 1890, sogenannte Hausbücher, enthalten noch keine Straßennamen, siehe: A Erkrath 362 V bis VII. Die Bahnstraße erhielt erst 1899 eine Basaltpflasterung, siehe: A Erkrath 121, Verwaltungsbericht des Bürgermeisters für das Jahr 1900,.
  2. A Erkrath 59, Ratsprotokolle, Pag. 77 R + V
  3. Bahn-, Kreuz- und sogenannte Leichstraße werden 1882 erwähnt. Siehe: A Erkrath 959, nicht paginiert.
  4. Schaufenster Erkrath/ Lokalanzeiger vom 27.6.1985
  5. Im Eulental gab es zwei Höfe: Bawirs-Ullental und Pabst-Ullental
  6. Wenn die Angaben im Schatz- und Lagerbuch verlässlich sind, kann Neu-Wittenbroch erst nach 1672 entstanden sein, denn im Schatz- und Lagerbuch wird es nicht erwähnt. Vergleiche:  LAV NRW R, J-B III, R Amt Mettmann Nr. 61
  7. Heute: Kirchstraße 4
  8. Archiv der SSB Erkrath
  9. Alle im Text genannten Daten aus: KB St. Johannes der Täufer Erkrath, siehe auch: Degenhard/Strahl, DTR 3.2, Familienbuch Erkrath und Hubbelrath
  10. LAV NRW R, Stift Gerresheim, U 425
  11. LAV NRW R, Stift Gerresheim U 454
  12. Dr. Kaspar Blind als letzter Besitzer verkauft an Gerhard Haumann aus Gerresheim.