Geschichte der Bruderschaft

Die Sankt Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V. hat eine über 530jährige Geschichte. Doch wo liegen die Wurzeln der Bruderschaft und warum hat sie einen so besonderen Bezug zu der katholischen Kirche? In einigen Festschriften haben Archivare der Bruderschaft die Geschichte zusammengetragen. Hier wird sie nun wiedergegeben. Bitte beachten Sie auch die Möglichkeiten die Festschriften herunterzuladen.

 

Etwas über die Geschichte der verschiedenen Kompanien der Bruderschaft finden Sie auch unter dem Menüpunkt "Die Bruderschaft".


Aus der Vergangenheit der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath

Von Archivar Kesting, Düsseldorf; 1934

Quelle: "Festschrift zum 450jährigen Jubelfest der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath"

 

„Die St. Sebastianus Bruderschaften haben von jeher am Niederrhein eine Heimstätte gefunden. Ihre Entstehung fällt hauptsächlich in die Zeit des christlichen Mittelalters. Einesteils dienten diese Vereinigungen zum Schutze gegen das Raubrittertum, anderenteils wurden sie eingeführt zur Abwehr gegen die Pest. Baudri sagte im Kirchenlexikon von Aschbach [Joseph Aschbach, *29.04.1801, +25.04.1882, deutscher Historiker]: „… Unter den in Deutschland verbreiteten Bruderschaften verdient besondere Erwähnung die St. Sebastianus Bruderschaft, welche körperliche Uebungen und Erheiterungen mit geistigen verbindet und erstere durch die Religion mäßigt und läutert.“ Als besonderen Schutzpatron verehrten sie den hl. Sebastianus. Sebastianus war nach der Legende Oberbefehlshaber der Leibwache des römischen Kaisers Diokletian. Als dieser erfuhr, daß Sebastianus ein eifriger Christ geworden sei, befahl der den mauretanischen Bogenschützen, ihn mit Pfeilen tot zu schießen. Sebastianus wurde an einen Baum gebunden und mußte so den Bogenschützen als Ziel dienen, die ihn durch mehrere Pfeilschüsse verwundeten, ohne ihn jedoch zu töten. Unter der sorgsamen Pflege frommer Jungfrauen genas der Glaubensheld wieder und bekannte nach wie vor standhaft seinen hl. Glauben, bis ihn endlich Diokletian mit Keulen erschlagen ließ.

Der hl. Sebastian wurde im Mittelalter auch als Beschützer gegen die Pest verehrt, welche in dieser Zeit furchtbar in vielen Gegenden Deutschlands wütete. Am Niederrhein starben ganze Dörfer aus, und die Häuser wurden von Räubern und umherziehendem Gesindel ausgeplündert. In dieser trüben Zeit verbanden sich die wehrhaften Männer zu Bruderschaften und stellten sich unter den Schutz des hl. Sebastianus. Sie bewachten die entvölkerten Ortschaften und begruben die von der Pest Dahingerafften. Die St. Sebastianus Bruderschaften standen vorzüglich im Dienste der Kirche: sie begleiteten mit ihren Bannern, welche mit dem Bildnisse ihres Schutzheiligen geziert waren, die Prozessionen, geleiteten ihre verstorbenen Mitbrüder zu Grabe, beteiligten sich an dem Empfange eines Bischofs, an der Einführung eines Pfarrers usw. Die Bruderschaften standen in hohem Ansehen. Sie erfreuten sich des Schutzes der geistlichen und weltlichen Behörden und hatten manche Privilegien. Viele adelige und andere hochgestellte Persönlichkeiten ließen sich als Mitglieder einschreiben und nahmen an den Festlichkeiten der Bruderschaften teil. Die Bruderschaften hatten auch die Aufgabe, dem Landesherren, unter dessen Protektorat sie meistens standen, im Kriege Beistand zu leisten. Damit nun die Schützen im Waffengebrauch kundig blieben, fanden sich die Armbrustschützen jährlich zu einem „Freischießen“ zusammen, welches sich bis heute in den sogenannten Schützenfest erhalten hat. Diese Schützenfeste bildeten sich immer mehr zu Volksbelustigungen aus und hatten für die Bürger dieselbe Bedeutung, wie die Turniere für die Ritter. Sie stammen aus Schlesien. Im Jahre 1826 machte der schlesische König Boleslaus den Bürgern von Schweidnitz „ein absonderliches Vergnügen“ und ließ ihnen eine Stange mit einem Vogel errichten. Der Herzog setzte für die besten Treffer Preise aus und demjenigen den ersten, welcher den letzten Stumpf des hölzernen Vogels von der Stange schoß. Der im polnischen Schlesien ansässige deutsche Adel brachte die Sitte des Vogelschießens nach Deutschland und stellte sich selbst an die Spitze der Festlichkeiten. Nach und nach traten in vielen Städten die waffenfähigen Männer zu Schützengilden zusammen. Die Gilden oder Gaffeln bauten Schützenhäuser und Schießbahnen. Die Schützenhäuser und Gaffelhäuser dienten zur Beratung der Vereinsangelegenheiten. „Auf der Gaffel“ wurden der Brudermeister gewählt, Rechnungsablage gehalten, Essen veranstaltet, Beschlüsse gefaßt usw. Auf den Schießbahnen fand das übliche Schießen statt. Der beste Schütze wurde „Schützenkönig“, er genoß für das betreffende Jahr verschiedene Vorrechte und trug bei den Aufzügen das sogenannte „Königssilber“. Der jedesmalige König stiftete hierzu einen silbernen Schild. Als im Laufe des 15. Jahrhunderts die Feuerwaffe Eingang fand, bildete sich neben den Armbrustschützen, die das Schießen nach dem hölzernen Vogel beibehielten, eine Abteilung „Büchsenschützen“, welche auf eine Scheibe schossen. Allmählich wurde die Armbrust ganz verdrängt und unter dem hölzernen Vogel brachte man eine eiserne Platte an als Ziel für den Königsschuß.

Mit dem Schützenfeste wurde ein Festzug verbunden, bei dem die Schützen mit Gewehr und unter Begleitung einer Musikkapelle aufmarschierten und vor dem Könige, den Geistlichen und Ehrengästen „Parade machten“.

Das Jahr der Gründung der einzelnen Bruderschaften ist verschieden und kann nicht immer genau angegeben werden. Kriege, Feuersbrünste usw. haben dazu beigetragen, daß in den meisten Fällen die Urkunden über die Gründung der einzelnen Bruderschaften als verloren gelten müssen. Die mündliche Ueberlieferung hat aber vielfach die Gründungsdaten von Generation zu Generation lebendig erhalten und bietet heute mangels schriftlicher Unterlagen Anhalt für das Alter der einzelnen Bruderschaften.

Die älteste Urkunde, die sich im Besitze der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath befindet ist vom 6. Juni 1698. Sie stellt einen Gnadenbrief des Kurfürsten Johann Wilhelm mit dessen eigener Unterschrift dar und zeigt das anhängende Kurfürstliche Siegel in einer Holzkapsel. Ihr Wortlaut ist folgender:

„Von Gottes gnaden Wir Johann Wilhelm, Pfaltzgraff bey Rhein, deß Heiligen Römischen Reichs Ertzschatzmeister undt Churfürst in Bayern, zu Gulich, Cleve und Berg Hertzog, Graff zu Vedentz, Sponheim, der Marck, Ravensperg und Moerhs, Herr zu Ravenstein etc. Fuegen hiemit Unsern Cantzleren, Geheimen-Hof- und Cammer-Räthen, insbesondere Unseren Bergischen Landtmarschallen, auch Beambten zu Medtman, fort jedermanniglichen zu wißen:

Demnach Wir zu mehrerer bestättig- und anwachsung auch beständiger conversation der vor geraumen Zeiten hero im Kirspel Erckrath aufgerichter St. Sebastiani Bruderschaft, auf underthänigst demütigstes anhalten gemelten Kirspelß Pastorius und Bruderschaft, denselben die Churfürstliche gnade gethan, undt bewilliget, daß der Jenige, welcher beym Jährlichen Vogel-schießen den Vogel rechtmäßig abgeschoßen haben wirdt, zum recompens jdesmal zehn Reichsthaler auß gemeinen Kirspelsmitteln, so jährlichß bey repartier- und umblagung gewohnlichen Landtsteuern Kraft dieses und ohne weiterer Befelchß einholung zeitlicher Richter, Scheffen und Steuererheber mit bey zuschlagen, zu genießen haben, anbey auch von allen selbigen Jahrs vorfallenden ambtsfuhren, und sonsten Handt- und Spandiensten befreyet seyn solle. Alß befehlen Wir solchen nach allen gehorsambst darnach zu richten, undt dem Jenigen, so von gemelter Bruderschaft dieß Jahr den Vogel abgeschoßen, alßwohl auch selbigen inskünftig selbigen abschießen wirdt. Bei würklichem genuß der zugelegten Zehn Reichsthaler, und exemption der ambtsfuhren, auch Handt- und Spandiensten kräftiglich von Unseretwegen zu manntinieren, und darwieder keines Wegs beeinträchten zu laßen.
Daß zu Urkundt haben Wir Unß aigenhändig unterschrieben und Unser Churfürstliches Geheimes insiegel hieran hangen laßen. Geben Düßeldorf den sechsten Juny Tausend sechß hundert acht und neuntzigsten Jahres
Johann Wilhelm Churfst.“

Ein weiteres Schriftstück, daß dieselbe Materie behandelt, hat folgenden Wortlaut:

„In Krafft gnädigsten Befehls vom 1. August wird der Bruderschaft Sti. Sebastiani zu Erckrath sub poena juris et contimatia aufgegeben, gestalten den gnadenbrief deß Durchlauchtigsten Churfürsten Johann Wilhelm Christmildesten andenkens vom 6. Juni 1698 daß derjenige, welcher jährlichs den Vogel abschießen würde, unter anderen aus Kirspelsmitteln Zehn Reichsthaler zu genießen haben solle am Donnerstag, den 17ten dieses nachmittags zwey uhr in deß Scheffen Nieden Behausung in originali zu produciren.

Gerresheim den 9ten September 1767.
    W. Bewer. mppria.“

Kopie der Urkunde von 1767. Quelle: Protokollbuch der Bruderschaft
Kopie der Urkunde von 1767. Quelle: Protokollbuch der Bruderschaft

Als drittes Dokument aus ältester Zeit besitzt die Bruderschaft noch folgende Urkunde:

„Carl Theodor, Von etc. …

Unseren ggsten Gruß zuvor, wohlgebohrner, liebe getreue. Nachdem wir auf kopeylich anliegende vom Vorstand der S. Sebastiani bruderschaft in Erkrath übergebene unterthänigste bittschrift gemeldeter bruderschaft ggst. erlaubt habem, am nächstkünftigen fronleichnams Tag die procehsion, jedoch ohne schießen und trommeln, auch mit Vermeidung aller Unordnung, zu begleiten, so wird es Euch zur Nachricht uns weiters nötiger Verfügung gnädigst unverhalten.

Düßeldorf, den 1. Juny 1781.

  Aus etc.
  vt. Fhr. Von Loe.
  an beamte amts Mettmann.“

Kopie der Urkunde von 1781. Quelle: Protokollbuch der Bruderschaft.
Kopie der Urkunde von 1781. Quelle: Protokollbuch der Bruderschaft.

Aufschluß über die Geschehnisse innerhalb der St. Sebastianus Bruderschaft in neuerer Zeit gibt das älteste Protokollbuch derselben, das mit dem Jahre 1827 beginnt. Es enthält die Statuten der Bruderschaft vom 20.1.1844, die Protokolle über die Abrechnungen von 1827 – 1898, Mitgliederverzeichnisse und Namen der Schützenkönige.

In neuerer Zeit wurde eine neue Bruderschaftsfahne angeschafft die auf der Vorderseite das Bild des hl. Sebastianus zeigt.

Aus Anlaß des 400 jährigen Jubiläums der Bruderschaft im Jahre 1884 stiftete der zeitige Pastor Heggen für das Reiterkorps eine geschmackvolle Standarte.

Bruderschaft im Jahre 1929. Quelle: Protokollbuch der SSB
Bruderschaft im Jahre 1929. Quelle: Protokollbuch der SSB

Im Jahre 1928 trat die Bruderschaft als eine der ersten der Erzbruderschaft vom hl. Sebastianus bei.

Der echt christliche Geist, der von jeher in der Bruderschaft herrschte, hat sich bis auf den heutigen Tag lebendig erhalten. Er wird neuerdings besonders befruchtet durch die Arbeit der Erzbruderschaft, die unter der Devise „Glaube, Sitte, Heimat“ ihre gesamten Mitglieder auf den echten Bruderschaftsgedanken zurückgeführt hat unter Beseitigung aller Mängel, die sich im Laufe der Jahrhunderte eingeschlichen hatten.

Welche Verehrung gerade der hl. Sebastian in der kath. Gemeinde Erkrath genießt, geht schon daraus hervor, daß sein Standbild die Kriegergedächtnisstätte der kath. Pfarrkirche ziert.

Die Bruderschaft war immer ein Hort alter Ueberlieferung. Sorgende Hände behüteten das Königssilber. Von den gestifteten Silberplatten sind heute noch 135 Stück vorhanden. Ein großer Teil der Silberplatten wurde im vergangenen Jahrhundert zu kirchlichen Geräten eingeschmolzen.

Der gute Schützengeist hat sich in der Bruderschaft Erkrath erhalten. Als im Jahre 1929 der auf dem Marktplatz befindliche Schießstand dem Ausbau des Platzes und der Anlegung zweier Verbindungsstraßen zur Gerberstr. weichen mußte, ließen es sich die Mitbrüder nicht nehmen, an neuer Stelle einen modernen Hochstand für Schwer- und Kleinkaliber zu erbauen. Der Bau wurde ausgeführt nach den Plänen des Mitgliedes Architekt Groß. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 5.000 RM [Reichsmark].

Schießstand im Jahr 1929. Quelle: Protokollbuch der SSB
Schießstand im Jahr 1929. Quelle: Protokollbuch der SSB

Trotz der finanziellen schweren Opfer die die einzelnen Brüder durch die hohen Baukosten auferlegt erhielten, blieben sie treu der Bruderschaft. Man kann ruhig sagen erst durch den Neubau des Standes wurde das Leben in der Bruderschaft derart angefacht, daß schwierige Krisen glatt überwunden wurden.

Wie die Mitglieder mit der Bruderschaft verwachsen sind zeigt schon allein, daß das älteste Mitglied Heinrich Dietz, mit 85 Lebensjahren schon 67 Jahre Mitglied derselben ist.

Möge das edle Schützenwesen, ein würdiges und männliches Vergnügen, wie es Max von Schenkendorf [Maximilian von Schenkendorf, *11.12.1783, +11.12.1817, deutscher Schriftsteller] nennt, nach der Vorfahren schöner Sitte auch für die Zukunft zur Pflege von Zucht und Ordnung und als Mittel zu Geselligkeit und Frohsinn in dem auf seine Vergangenheit stolzen Erkrath blühen.“


Kompanien der Bruderschaft

Bis ca. 1930/1934 bestand die Bruderschaft nur aus einem Regiment. Zu diesem Zeitpunkt besaß die Bruderschaft jedoch bereits eine eigene Reiterabteilung, die sich 1926 gebildet hatte. Hiernach wurden einzelne Kompanien ins Leben gerufen. Eine nähere Vorstellung der Kompanien finden Sie unter dem Menüpunkt "Die Bruderschaft". Bis zu diesem Zeitpunkt wurden auch keine Jugendlichen aufgenommen.

Die 1. Kompanie - die Jäger-Kompanie - gründete sich im Jahre 1934.

In dieser Zeit wurde auch die 2. Kompanie - die Johannes-Kompannie - gegründet. Sie stellt bis heute den Fähnrich und die Fahnenoffiziere. 1934/1935 wurde auch die 3. Kompanie - die Grenadiere - aufgestellt. Ihr gehörten meist Männer der handwerklichen Zunft an, aber auch Kaufleute und Beamte.

Erst 1932 machte Jean Pohlmann den Vorschlag, eine Jungschützenkompanie zu gründen. Als mit zunehmenden Alter der Jungschützen ein Wechsel in die Altschützenkompanien erforderlich wurden, gründeten sie die 4. Kompanie, auch Hubertus-Kompanie genannt.

 

Auf einer außerordentlichen Generalversammlung vom 27.02.1937 beschloß der Bürgerschützenverein 1893 e.V. Erkrath sich mit der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath zu verschmelzen. Im Jahre 1950 wurde der Bürgerschützenverein neu gegründet.

 

Die Jungschützenkompanie wurde nach dem zweiten Weltkrieg im Jahre 1951 durch Johann Pohlmann neu gegündet. Die ersten Treffen und auch das Schießen fanden in der Werkstatt von Sattlermeister Pohlmann statt. Ihre Regimentsfahne erhielten die Jungschützen 1957 von der Johannes-Kompanie. Hauptamt Hermann Cüppers überreichte sie dem Bezirks-Bundesmeister Robert Hahne zur Weiterleitung an den Jungschützenmeister August Franke. Präses Dr. Johannes Mohnen weichte die Fahne zum Titutarfest. Sie wurde hiernach an den Fahnenträger Alfons Krupp der Jungschützenkompanie übergeben. Anläßlich des Titularfestes 1979 stiftete das amtierende Königspaar Heinz und Christel Bovensiepen eine neue Jungschützenfahne und übergaben sie an den Fahnenträger Ralf Przybisch.


Für besondere Verdienste um die Jungschützenkompanie wurden Bernd Heuwind und der langjährige Präses der Bruderschaft, Pastor Johannes Roth, zu Ehrenjungschützen ernannt.

Auch zwei Ehren-Adjutanten gab in der bisherigen Geschichte der Jungschützenkompanie: Roland Breganicanin und Jürgen Effertz. Sie zeichneten sich durch eine lange und hervorragende Arbeit für die Jungschützenkompanie und unzählige Einsätze als Adjutanten für die Prinzen der Bruderschaft aus. Legendär sind auch die Fahrten der Jungschützen an die Mosel, die seit den 1960er Jahren regelmäßig stattfinden.

 

Quellen: Festschrift 500 Jahre St.Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V.; Festschrift zum Schützen- und Volksfest vom 24. bis 27. August 1963 des Bürgerschützenvereins 1893 e.V. Erkrath; Festschrift zum 25 jährigen Bestehen der Jungschützenkompanie der St. Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V.; Festschrift zum 40-jährigen Bestehen der Jungschützenkompanie der St. Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V.


Die Erkrather Bruderschaft  im Laufe der Geschichte

Grußwort von Günter Seite, 1. Vorsitzender der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath, zum 50. Bundeskönigsschießen vom 11.-13. September 1992 in Mettmann

 

"Die St. Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V. ist der zweitälteste Mitgliedsverein im Bezirk Niederberg. Vorhandenen Kirchenbüchern ist zu entnehmen, daß es vor dem Gründungsjahr 1484 bereits eine St. Marien-Bruderschaft in unserer Pfarrgemeinde gegeben hat. Man könnte demnach davon ausgehen, dass es sich im Jahre 1484 um eine Integration der alten Marien-Bruderschaft mit der neuen St. Sebastianus-Bruderschaft gehandelt hat. Diese Annahme ist jedoch dokumentarisch nicht zu belegen.

 

Im Gründungsjahr unserer Bruderschaft erfreute sich das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" innerhalb seiner Grenzen einer ruhigen Entwicklung. Lediglich an den Grenzen zu Polen, Ungarn, Burgund und der Schweiz gab es regionale Probleme. Nach Abschluß des 100jährigen Krieges mit England entwickelte sich unser Nachbar Frankreich zu einem starken Zentralstaat und drängte erstmals über den angestammten Bereich hinaus nach Osten.

 

Die deutschen Kernlande waren von vitalen Freien Reichsstädten, dem einflußreichen Hansebund und starken Regionalfürsten und demzufolge von einer schwachen Reichsgewalt geprägt. Dies änderte sich erst in der zweiten Jahrhunderthälfte, als die Habsburger mit Friedrich III. als eindeutige und unangefochtene Führungsmacht hervortraten.

 

Das 15. Jahrhundert war auch geprägt von einer aus Italien aufziehenden Renaissance, der Wiedergeburt des klassischen Altertums. Humanistische Ideen waren verbunden mit den Forderungen nach politischer Freiheit und beeinflußten immer stärker das Maß des Denkens der damaligen Zeit. Das mittelalterliche Gedankengut mit religiösem Mittelpunkt wurde immer mehr zugunsten einer sich breit-machenden Verweltlichung verdrängt.

 

Neben kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Raubrittern der Grafschaft Berg und den Kirchenfürsten von Köln zu Beginn des Jahrhunderts, die regional zu Verwüstungen geführt haben, wurde das Leben in unserer Region durch Angst vor der Geißel der damaligen Zeit, der Pest, geprägt. In diese Zeit hinein wurde im Jahre 1484 die St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath gegründet. Das Gründungsdokument wurde am Sebastianustrag von den Erkrather Schützenmeistern Wilhelm to Dorp und Wilhelm Amper sowie dem in Schlickum wohnenden Ritter Alex von Ulenbruch unterzeichnet. Pfarrer in Erkrath war damals Heinrich Immefuef aus Ratingen, der auch gleichzeitig Notar war. Diese Namen sind auf einer alten Bruderschaftsfahne festgehalten.

 

Aus Überlieferungen ist bekannt, daß damals mit einer Armbrust auf einen künstlichen Vogel geschossen wurde.

 

Anlässe für die Gründung unserer Bruderschaft waren wohl wie vielerorts zur damaligen Zeit:

  • Abwehrbereitschaft gegen Bandenüberfälle
  • Abwechslung im damals eintönigen Leben auf dem Lande
  • Nächstenliebe zur Linderung der Pestfolgen

Das Gros der damaligen Bevölkerung war arm. Es reichte lediglich zur Ernährung der zum Teil großen Familie. Die Obrigkeit, dem Adel, war man weitgehend ausgeliefert. Die Kirche war wohl der einzige Hort in den Städten und den Landgemeinden. Sie hatte eine dominierende Rolle im Leben der Bevölkerung, gingen doch die geistige und zum Teil auch technische Entwicklung von ihr aus. Die enge Bindung der Bruderschaft an die Kirche war eine logische Konsequenz der Epoche.

 

An den Zielen, sich für "Glaube, Sitte und Heimat" einzusetzen, hat sich bis heute nichts verändert.

 

Von den anfänglichen Aktivitäten unserer Bruderschaft ist leider nicht viel überliefert. Einer kirchlichen Urkunde von 1516 ist lediglich zu entnehmen, daß Adolf zu Veldhausen und seine Frau Belike sich verpflichten für drei Messen am Freitag vor Sebastianus 43 1/2 Goldgulden an die Bruderschaft zu zahlen.

 

Eines der ältesten Zeichen unserer Bruderschaft ist das Schützensilber aus dem Jahre 1617, eine in Silber getriebene Platte. Sie erinnert an den Pfarrer Michael Vernelis. Stolz ist unsere Bruderschaft auf eine silberne Taube, die im Jahre 1623, also während des 30jährigen Krieges, von Petrus von Ghoer, gestiftet wurde.

 

Aus den nachfolgenden Jahrhunderten besitzt die Bruderschaft viele Erinnerungsstücke. Dies sind hauptsächlich Silberplatten, die ein beredtes Dokument für das Leben in der örtlichen Gemeinschaft darstellen. So sind neben der Jahreszahl und den Namen der Stifter die Berufe der jeweiligen Schützenkönige und zum Teil auch deren kirchliches Engagement in Form von Bekenntnissen in lateinischer Sprache enthalten. Die künstlerische Darstellung dokumentiert den Stil der jeweiligen Epoche. So kann manch alteingesessene Familie ihre Geschichte auf das engste mit der Bruderschaft verbinden.

 

Die St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath besteht heute aus 4 Kompanien, einem Reitercorps und einer Jungschützengesellschaft. Seit der Einführung des Fronleichnamsfestes feiert unsere Bruderschaft ihr jährliches Schützen- und Volksfest immer von Mittwoch vor Fronleichnam bis zum darauffolgenden Sonntag. Am Fronleichnamstag begleitet unsere Bruderschaft traditionsgemäß die Prozession, wobei es Mitgliedern unseres Reitercorps zukommt, die skramentale Gruppe schützend zu flankieren.

 

Zu allen jährlichen wiederkehrenden Aktivitäten kommt in diesem Jahr die Ausrichtung des Bundeskönigsfestes durch unseren Bezirk Niederberg. Mit allen Verantwortlichen der vier Mitgliedsbruderschaften haben auch wir versucht, den Bezirksvorstand nach Kräften bestens zu unterstützen. Wir sind der festen Überzeugung, daß jeder von uns sich voll und ganz für die Sache eingesetzt hat, so daß der Verlauf des diesjährigen Bundeskönigsfestes von vollem Erfolg gekrönt sein wird.

 

Der gesamten Schützenfamilie wünscht die Erkrather Bruderschaft einen angenehmen Aufenthalt in unserem schönen Niederberg, zwei erfolgreiche Tage und viele gesellige Stunden im Kreise unserer Niederberger Schützenbruderschaften."


Aus dem Leben der Bruderschaft in den letzten Jahrzehnten

Als am 17. April 1945 Soldaten der U.S. Armee in unsere Stadt einrückten, war für uns Erkrather der sinnlose und grausame zweite Weltkrieg zu Ende. Trotz vielfacher Not und seelischem Leid normalisierte sich das Leben in den folgenden Jahren. Die Gläubigen gingen wieder ohne Angst vor Repressalien in die Kirche. Nach und nach kamen die Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause. Viele von ihnen sahen ihr Erkrath aber nie wieder.

Das große Königssilber, das im Krieg bei mehreren Schützenbrüdern und im Kirchturm versteckt war, konnte wieder ans Tageslicht gebracht werden. Oberst Friedrich Jüntgen hatte, dank seiner besonderen Umsicht, alle historischen Unterlagen der Bruderschaft über die NS-Zeit retten können.

Im Hebst 1945 eröffneten die Schulen wieder ihre Tore.

Im folgenden Jahr kam hoher Besuch nach Erkrath. Der Erzbischof hatte sich angemeldet und er sollte vom Reitercorps abgeholt werden. Otto Liethen, der damalige Rittmeister, konnte jedoch aus den Reihen der Reitertruppe keine Eskorte bilden. Zu hoch waren die Kriegsverluste. So kam Otto Liethen auf die Idee, dorthin zu gehen, wo Pferde und junge Burschen waren: Er holte alle, die ein Pferd besaßen oder sich ein Pferd besorgen konnten, zur bischöflichen Eskorte zusammen. Ein gutes Dutzend junger Männer war bereit mitzumachen. So konnte eine starke Reitertruppe den Ehrengast, Erzbischof Josef Kardinal Frings, an der Ortsgrenze in Unterbach empfangen und am Heiligenhäuschen vorbei zur Kirche geleiten. All die jungen Burschen, die damals die Eskorte bildeten, sind - soweit sie noch leben - heute noch Stützen der Bruderschaft.

Eine weitere Begebenheit war die Rückholung der Glocken nach dem Krieg. Zwei Glocken der Katholischen Kirche, davon eine mit dem Namen Sebastianus - vermutlich von der Bruderschaft gestiftet oder mitfinanziert - waren im Krieg demontiert und zur Einschmelzung bestimmt worden, um Waffen daraus herzustellen. Zum Glück kam es nicht so weit. Nach dem Krieg fand man die Glocken 1947 in Hamburg und holte sie nach Erkrath zurück. Die Einholung der Glocken vom Kloster Morp aus glich einem Triumphzug. Mit den Glocken auf einem Wagen, der von sechs schweren Kaltblütern gezogen wurde, formierte sich der Zug zur Kirche. Das Reiterkorps eskortierte das Gefährt, die Sebastianer und die große Gemeinde der Gläubigen begleiteten das Geschehen.

Heimholung der Glocken 1947. Bild: Archiv Margret Becker-Adelskamp
Heimholung der Glocken 1947. Auf dem Bild: Günther Denker, Klaus Moess, Kaplan Nolden, Pfarrer Dr. Mohnen, Günther Schlechta. 2. von rechts: der "Schweizer" Herr Moritz. Bild: Archiv Margret Becker-Adelskamp

Im Jahre 1947 feierten wir unser erstes Schützenfest nach dem Krieg. Schützen- und Volksfest hieß es von nun an. Es war für die Bevölkerung die erste große öffentliche Feier nach den schrecklichen Kriegsjahren. Am alten Schießstand gelang Heinrich Soll vom Brocker Berg der Königsschuß. Man nannte ihn wegen seines sonnigen Gemütes den "Sonnenkönig". Josef Halbe von der 3. Kompanie hatte bis dahin wegen des Krieges die Königswürde 8 Jahre tragen müssen.

Da es keine Gewehre gab und nicht geben durfte, bastelte der Schlosser Johann Adam von der 1. Kompanie zwei Armbrüste. Mit diesen Armbrüsten konnte man nun auf den Vogel schießen. Reichweite und Treffsicherheit des Gewehrersatzes waren enorm.

An der Fronleichnamsprozession nahm die Bruderschaft von jeher geschlossen teil. Die Ausstrahlungskraft der ersten Prozession nach dem Krieg war so groß, dass man die Erkrather Prozession zum Anlass einer Rundfunkübertragung nahm. Der damalige Kaplan Nolden war wegen seiner kräftigen und unüberhörbaren Stimme sozusagen der "Star" der Messe auf dem Kirchplatz. Im Jahre 1954 traten die ersten Reiter erstmals in den roten Uniformen der "Bonner Husaren" an. Seit dieser Zeit ist es ehrenvolle Aufgabe für die Mitglieder des Reitercorps, den Baldachin bei der Fronleichnamsprozession zu tragen, unter dem Jesus Christus in Brotgestalt in der Monstranz durch die Straßen Erkrath getragen wird.

Das Schützenfest der St. Sebastians Bruderschaft wird regelmäßig in den Tagen um das Fronleichnamsfest gefeiert. Kirchliche und weltliche Feier bilden dabei nach guter katholischer Tradition eine sich ergänzende Einheit. Wenn am Tag nach Fronleichnam, dem Kirmesfreitag, die Schützen nach der Heiligen Messe und dem Gedenken der verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft (wie dies auch heute noch praktiziert wird) beim Frühschoppen im Zelt saßen, wurde die Musikkapelle zur Schule geschickt, um das erste und zweite Schuljahr und alle Kinder aus dem Kindergarten abzuholen. Mit "Tschingderassabum" ging es zum Festzelt. Der damalige Schatzmeister, Hermann Cüppers, hatte in der Zwischenzeit das Eintrittsgeld für Karussell und Raupe bezahlt, was für die Kinder "freie Fahrt" auf der Kirmes bedeutete.

1959 konnte die Bruderschaft ihr 475-jähriges Jubiläum feiern. Der 1. Vorsitzende, Heinz Helmert, hatte ein großes Fest organisiert. Im festlich geschmückten Schützenzelt wurde am Kirmessonntag eine Matinee veranstaltet. Um genug Platz für alle Gäste zu schaffen, wurden nur Stuhlreihen aufgestellt. Rektor Kürten von der katholischen Volksschule hielt die Festansprache. Oberst Hubert Hahn wurde Jubiläumskönig.

Die Feier des 500-jährigen Jubiläums, 1984, vom 1. Brudermeister Günther Seite und seinen Helfern hervorragend organisiert, stellte einen besonderen Höhepunkt in der Geschichte der Bruderschaft dar. Wieder fand am Kirmessonntag eine Matinee statt, diesmal allerdings nicht im Zelt, sondern in der inzwischen errichteten Stadthalle. Grußworte, musikalische Beiträge sowie viele Gratulationen bildeten den Rahmen für die Festansprache des Hochmeisters der Historischen Deutschen Bruderschaften, Dr. Maximilian Graf Spee. König im Jubeljahr war Karl Georg Büchel.

Im Jubiläumsjahr ihres 500-jährigen Bestehens führte die St. Sebastianus Bruderschaft einen zusätzlichen Beitragsanteil für soziale und karitative Zwecke ein, über deren Verwendung in jedem Einzelfall die Generalversammlung zu entscheiden hat. Bisher wurden aus diesem Fonds Vorhaben der Kinderkrebsklinik, des Agitas-Circle und des CBT-Wohnhauses St. Johannes unterstützt.

Aktivitäten, Hilfsmaßnahmen und Spenden für ganz unterschiedliche Zwecke aus den Reihen der Bruderschaft reichen weit über die eben aufgeführten Vorhaben hinaus. Königspaare, einzelne Mitglieder, Gruppen oder Kompanien der Bruderschaft haben immer wieder Initiativen entwickelt und zum Wohle der Bruderschaft oder allgemein zum Wohle der Menschen gewirkt.

 

Hier einige Beispiele.


Stiftungen einzelner Könige: Anschaffung einiger Fahnen, Stiftung von zwei neuen Säbeln für das Regiment, Schenkung eines Gewehrs für die Jungschützen, Anschaffung und Aufstellung eines Schaukastens für die Bruderschaft auf der Bahnstraße.

Bereitstellung von Maschinen und Werkzeugen, Schenkungen von Baumaterial und ein hoher persönlicher Arbeitseinsatz von Mitgliedern der Bruderschaft bei der Sanierung des Kellergeschosses und des Pavillons vom St. Josephfskloster ermöglichten den Bau eines Flachschießstandes - vor allem für die Jungschützen - und den Ausbau von Räumen für das gesellige Beisammensein.

Großzügige finanzielle Unterstützung durch ein Mitglied der Bruderschaft und Eigenleistung von Mitgliedern der Bruderschaft führten zur Installation von zwei Scheinwerfern und damit zur Abstrahlung der Kirche.

Ein König der Bruderschaft arbeitete einen alten, großen Kupferkessel zu einem dekorativen Blumenkübel um, versteigerte ihn und spendete den Erlös als Beitrag zur Finanzierung des Aufzuges im Pfarrzentrum.

Wieder ein anderes Königspaar setzte sich durch Sammlung und Eigenbeteiligung für den Wiederaufbau der zerstörten Pfarrkirche in Vidovice, Bosnien, ein.

Die Jungschützen führten eine sehr erfolgreiche Sammlung zugunsten der "Aktion Dunkelziffer e.V. Hamburg" gegen Kindesmissbrauch durch.

Die Generalversammlung der Bruderschaft beschloss die Anschaffung von Grabplatten für die Gräber der Armen Dienstmägde Jesu Christi auf unserem Friedhof. Mit den 1987 niedergelegten Grabplatten für zwölf in Erkrath beerdigte Arme Dienstmägde Jesu Christi ehrte man zugleich das selbstlose Wirken der Dernbacher Schwestern in 119 Jahren für die Erkrather Bevölkerung. Zwischen jeweils vier bis zehn Schwestern arbeiteten insbesondere in der Kindererziehung, der Krankenpflege und der Altenbetreuung für Gottes Lohn in Erkrath. Unter den notwendigen Hilfen, die die Menschen den Schwestern in Erkrath zukommen ließen, befinden sich ebenfalls Spenden aus den Reihen der St. Sebastianus Bruderschaft.

Viele Arbeitsstunden und Material setzten die Mitglieder der Bruderschaft für die Erhaltung des Heiligenhäuschens ein.

Über die Kreuzerrichtung durch die Bruderschaft als herausragendes Ereignis wird an anderer Stelle dieser Schrift berichtet.

Am Tage der Kreuzweihe soll mit Unterstützung der Bruderschaft für den Neubau einer Kirche der Partnergemeinde St. Maria Goretti in Chamberlain, Haiti, gesammelt werden.

Mit den aufgezeigten Beispielen mag etwas vom Leben und Wirken der Bruderschaft deutlich werden. Unter den Leitmotiven Glaube, Sitte und Heimat weiß sich die St. Sebastianus Bruderschaft ihrer Gemeinschaft, der Kirche, der örtlichen Gemeinde und in Solidarität den Menschen in vielfacher Not auf der Welt verbunden.

Von: Hubert Hahn
Quelle: Festschrift zur Kreuzweihe, 14.09.2000